Am 13. Februar 2003 wäre Georges Simenon 100 Jahre alt geworden. Dieses Lesebuch bietet auf rund 500 Seiten einen Überblick über sein Gesamtwerk, ist jedoch nicht nur für Neueinsteiger, sondern auch für Simenon-Fetischisten von Interesse. Die erste Hälfte entspricht einem Spaziergang, auf dem möglichst viel auf möglichst angenehme Art und Weise besichtigt werden soll. Auf eine Einführung von Federico Fellini und Essays über die Maigret - und die Non-Maigret-Romane … mehrfolgen eine Hand voll Erzählungen, die Simenons Klasse unter Beweis stellen: Auf wenigen Seiten zeichnet er Figuren und Schicksale, die uns nahe gehen, den Atem rauben und noch lange im Gedächtnis bleiben. Eine Auswahl aus Reportagen -- vor allem der Bericht über ein Gespräch mit Trotzki -- und Erinnerungen lassen seine Gedankenwelt sichtbar werden, die in einem Auszug aus Simenon auf der Couch noch tiefer gehend ergründet wird. Die zweite Hälfte bringt erstmals den vollständigen Briefwechsel Simenons mit André Gide aus den Jahren 1938 bis 1950. Darin erfahren wir viel über Simenons Leben, die Entstehung seiner Werke, aber auch über den wechselseitigen Respekt dieser beiden Giganten der Feder. Abgeschlossen wird das Lesebuch durch den langen "Brief an meine Mutter", den Simenon 1974 geschrieben hat, über drei Jahre nach dem Tod der Adressatin -- eine ebenso unbarmherzige wie verständnisvolle Auseinandersetzung, ja Abrechnung mit familiären Verhältnissen. "Diogenes-Bücher sind weniger langweilig", wirbt der Zürcher Verlag seit Jahren. Auf niemanden trifft das mehr zu als auf seinen fleißigsten Autor, den Maigret-Schöpfer Simenon. Kaum jemand hat das mediale Interesse mehr verdient, das seinen 100. Geburtstag umgeben wird. "Simenon ist nicht nur der größte Erzähler unserer Tage", schrieb Patricia Highsmith. Was noch in seinen Werken steckt -- das herauszufinden, ist eines der größten Vergnügen, die sich eine Leserin oder ein Leser bereiten kann. --Hannes Riffel weniger