Reynaldo ist ein armes Schwein. Das unterscheidet ihn nicht weiter von zahllosen anderen Kindern, Frauen und Männern in Havanna. Aber Reynaldo hat einen Traum: Er möchte König von Havanna werden! Zumindest die Frauen geben ihm das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein -- sie sind ganz hingerissen von seiner Leidenschaftlichkeit und von seiner Fähigkeit, einer Situation nur das Beste abzugewinnen. Diese Fähigkeit hat Reynaldo allerdings auch bitter nötig. Mit 13 Jahren … mehrgerät er in die Klauen der Polizei und wird in ein Besserungsheim eingewiesen. Mit 16 gelingt ihm die Flucht, doch die Freiheit ist teuer bezahlt: Nachts kauert er in stinkenden Abrisshäusern, tagsüber bettelt er um Essen und schlägt sich mit kleinen Diebstählen durch. Von Zeit zu Zeit tut er sich mit Frauen zusammen, die sein Elend teilen. Doch die ausschweifenden Liebesnächte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass am nächsten Morgen wieder der Hunger wartet. "Eine der interessantesten kubanischen Neuerscheinungen seit langem", kommentiert die FAZ Gutiérrez' Debüt Schmutzige Havanna Trilogie . Das mag durchaus zutreffen, aber es zeigt auch, wie leicht es westeuropäischen Intellektuellen noch immer fällt, dem voyeuristischen Blick auf fernes Elend eine Begeisterung für das Exotische abzugewinnen. Auch der Umschlagtext von Der König von Havanna suggeriert eine "schäbig-schöne Welt" voller Partys und Sex. Dabei ist Gutiérrez ein zutiefst desillusionierter Naturalist, dessen Biografie nahe legt, dass er einen Großteil der Schrecklichkeiten seiner Bücher aus erster Hand kennt. Erstaunlicherweise hat ihm das nicht die Freude am Erzählen genommen. Der König von Havanna ist ein temporeicher Roman, mit einer Leichtigkeit erzählt, die in offensichtlichem Widerspruch zum Stoff steht. Umso größer ist die Wirkung: Niemand wird dieses Buch ohne Erschütterung aus der Hand legen. Und wird, zum Blick über den eigenen Tellerrand gezwungen, zu einschlägigen Sachbüchern über Kuba greifen. --Hannes Riffel weniger