Mit Die Nacht des einsamen Träumers liegt der siebte Band der Krimireihe um den italienischen Commissario Montalbano vor -- kein Roman dieses Mal, sondern zwanzig Erzählungen, die die ganze Bandbreite des schriftstellerischen Könnens von Andrea Camilleri zeigen. Die Ausgangssituation der einzelnen Fälle wiederholt sich mit selbstironischer Regelmäßigkeit: Montalbano wird von seinem trotteligen Kollegen Catarella frühmorgens aus dem Bett geklingelt ("Sind Sie das … mehrganz persönlich selber, Dottori?") und an den Schauplatz eines Verbrechens gerufen. Dabei kann es sich um einen brutalen Mord handeln oder um den Diebstahl einer Schachtel Kronkorken -- die Bandbreite ist groß. Montalbano schaut sich den Tatort an und zieht sich dann nachdenklich in sein Büro zurück. Oder auf die Veranda seines Häuschens, mit Blick auf das Meer. Und dann wird es richtig spannend: Wie ein Chamäleon passt der Commissario seine Herangehensweise dem jeweiligen Fall an, und diese Fälle haben es in sich: Wer hatte ein Motiv, die alternde Prostituierte Maria aus dem Weg zu räumen? Wie kommt der Zettel mit dem Hilferuf in den Wasserkrug des Bauern? Warum wird Montalbano von seinem alten Freund Preside Burgio (aus Der Hund aus Terracotta ) plötzlich zum Essen eingeladen, nachdem sie sich so lange nicht gesehen haben? Wo hat sich die junge Frau in der Zeit nach ihrem Verschwinden und vor ihrem gewaltsamen Tod aufgehalten? Eigentlich hatte man auf eine Erklärung der Chamäleon-Taktik gewartet, stattdessen kommt eine Reihe Fragen -- ist das Absicht? Bei aller Lust am Kriminalfall und dessen Lösung verliert Andrea Camilleri jedoch eins nie aus dem Blick: Eine kurze, pointierte Erzählung überzeugt die Leser nur, wenn es gelingt, die Figuren auf wenigen Seiten lebendig werden zu lassen -- und darin ist der sizilianische Autor ein Meister! Nicht nur die Protagonisten der bisherigen Montalban-Romane rücken ins Rampenlicht, auch Täter, Opfer und Zufallsbekanntschaften sind erstaunlich präsent. Und wenn Commissario einmal alles zu viel wird, ruft er einfach seinen Schöpfer an und erklärt ihm, er solle von dieser Geschichte doch bitte die Finger und ihn in Ruhe lassen. Er müsse jetzt essen gehen. Während seine Fans auf sein nächstes Abenteuer hoffen. weniger