"Das einzig Aufregende, was wirklich einen Kommentar wert war, war die Tatsache, wenn es einmal nicht regnete." Chief Inspector Wexford kann sich nicht daran erinnern, in diesem Teil von Sussex jemals von einer derartigen Flut gehört zu haben. Die Zeitungen sprechen von einer Jahrhundertkatastrophe, und die Polizei hat alle Hände voll zu tun -- allmählich bricht Panik aus und es kommt zu ersten Plünderungen. Auch in Wexfords Garten steigt dass Wasser stetig und … mehrbedrohlich an. In diesem schon etwas gereizten Klima trifft die Meldung ein, dass zwei Kinder mit ihrer Babysitterin verschwunden sind. Die 13-jährige Sophie und der 15-jährige Giles hatten sich unter Aufsicht von Joanny Troy befunden, während die Eltern sich einen Urlaub gönnten. Jetzt befürchtet die Mutter, die Kinder könnten ein Opfer der Fluten geworden sein. Wexford ist skeptisch: Ganz so jung waren die beiden "Kleinen" nun auch wieder nicht, und schwimmen sollen sie ebenfalls können. Reifenabdrücke vor einer abgelegenen Wochenendvilla reicher Londoner führen Wexford auf eine erste Spur. Und schließlich stellt sich heraus, dass der vermisste Giles in Verbindung mit einer gehemnisvollen Glaubensgemeinschaft stand. Mit jedem weiteren Roman wird deutlicher, was Leser der unter Rendells Pseudonym Barbara Vine erschienenen Romane schon lange wissen: Ihm Mittelpunkt ihrer Bücher stehen nicht so sehr die Krimihandlung, die Ermittlungen und die schlussendliche Auflösung eines Falls, sondern die Schilderung gesellschaftlicher Verhältnisse. Auch am Beginn des 21. Jahrhunderts bestimmt das britische Klassensystem noch immer das Leben der Menschen. Berufsaussichten und Besitzverhältnisse scheinen wichtiger als Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit, anders denkende Nachbarn zu akzeptieren. Auch Wexford selbst -- und das ist ein ausgesprochen gelungener Kniff -- sieht sich privat mit seinen Vorurteilen konfrontiert. Allzu beschäftigt mit der Flutkatastrophe und der steigenden Kriminalität, bringt er seiner Tochter nicht die nötige Aufmerksamkeit entgegen -- und tritt prompt ins Fettnäpfchen. Ein weiteres Highlight von dieser Autorin also, die nicht umsonst als "Königin der Kriminalliteratur" gefeiert wird und durch das verlässlich hohe Niveau ihrer Bücher zu überzeugen weiß. Auch wenn wir Festlandbewohner uns vielleicht etwas darüber wundern, warum in Dunkle Wasser so viel Aufhebens um Regen gemacht wird. Schließlich spielt der Roman doch in England, oder? --Felix Darwin weniger