Irgendwie kann sich der Ich-Erzähler in Andrew Davidsons Roman-Debüt Gargoyle die lachhafte Vision nicht erklären, die ihn während einer Autofahrt überfällt. Vielleicht liegt es an den Drogen, die der Zyniker sich wieder einmal durch die Nase gezogen hat? Oder kommen die Bilder aus den Tiefen einer vorbiografischen Erinnerung? Wie dem auch sei: Plötzlich sieht der Mann einen Hagel brennender Pfeile auf sich herabregnen. Er kommt von der Fahrbahn ab, prallt fast mit … mehreinem Pick-Up zusammen, verliert die Kontrolle, stürzt in eine Schlucht und findet sich später, grausam entstellt, im Krankenhaus wieder. In Gargoyle trägt der Protagonist schlimmste Verbrennungen davon. Seinen Beruf wird er nicht mehr ausführen können, sein Leben scheint zu Ende zu sein, nur der Selbstmord verspricht Rettung. Doch dann tritt wie aus dem Nichts und als eine Art Deus ex machina des dramatischen Geschehens die ebenso faszinierende wie geheimnisvolle Bildhauerin Marianne Engel an sein Krankenbett: und die erzählt dem Kranken eine wahrhaft wundersame Geschichte, vor deren Hintergrund selbst die Vision von den brennenden Pfeilen und den angreifenden Heerscharen einleuchtend erscheint. Sie und er, sagt die Unbekannte, seien einst ein Liebespaar gewesen: im Deutschland des 14. Jahrhunderts, in dem Sie als Nonne, er aber als Söldner sein Dasein fristete. Marianne erzählt ihm von dieser Vergangenheit. Und allmählich kommt sein Lebensmut zurück: eine Reise durch Zeit und Raum, bis zum dramatischen Finale... Gargoyles, das sind jene gurgelnden Wasserspeier an den Zinnen alter Kathedralen, die das Böse aus dem Innern fernhalten sollen. Um etwas Ähnliches um das Böse, das bereits im Innern haust, und wie man es eventuell wieder los wird dreht sich alles in Andrew Davidsons Roman. Der spielt geschickt mit den Versatzstücken aus Horror, Liebesroman und Fantasy eine Mischung, die sicher nicht jeder mag. Wer sie aber mag, wird Gargoyle lieben. -- Isa Gerck weniger