Gérald Métroz weiß um seine Wirkung. Der Schock angesichts des Menschen, der uns da vom Buchdeckel gelassen und herausfordernd anblickt, ebbt jedoch mit zunehmender Lektüre ab -- und verwandelt sich in Bewunderung angesichts des zähen Willens und der Lebensfreude dieses außergewöhnlichen Mannes. Schenkte man ihm heute seine Beine wieder, die ihm im Alter von zweieinhalb Jahren ein Zug vom Rumpf abtrennte, so der Autor lakonisch, er würde nichts mehr damit anzufangen … mehrwissen. Mithilfe des Journalisten Jacques Briod durchstreift Métroz noch einmal sein Leben, das an jenem unheilvollen Dezembertag des Jahres 1964 in Sembrancher, einem kleinen Ort in der französischen Schweiz, beinahe ein frühzeitiges Ende gefunden hätte. Ein Blick jedoch in die freudestrahlenden Augen ihres Kindes beim Erwachen nach der Operation -- und für Géralds Eltern stand fest, ihr Junge ist nicht todgeweiht, sondern für das Leben bestimmt. Nach seinem Unfall kurzfristig zum Medienstar befördert, wurden ihm in einer deutschen Spezialklinik seine ersten Prothesen angepasst, eine Tortur, die sich selbst beim Lesen schmerzlich nachvollziehen lässt. Normalität wurde fortan zum Verdrängungsprinzip erklärt. Géralds sehnlichster Wunsch, zu sein wie alle anderen, machte den Sport zu seinem Lebensinhalt. Mit Erfolg. Der kleine Eishockey-Torwart ohne Beine war wenig später als Sensation in aller Munde. Für Nichtbehinderte kaum nachzuvollziehen, die mühseligen Alltagsverrichtungen in einer wenig behindertengerechten Welt voller Fallstricke. Offen berichtet Métroz über die Eigenheiten seines Körpers. Wer wusste, dass Beinamputierte einen enorm hohen Blutdruck besitzen? Schlitzohrig dezent, ergeht er sich auch in viel sagenden Andeutungen über gewisse gewinnbringende erotische Varianten. In Géralds späterem Leben vollzieht sich eine mentale Wandlung. Selbstbewusst entledigt er sich der Prothesen und konfrontiert seine Mitmenschen mit seinem Körper. Sein Wille scheint unbändig: Teilnahme im Rollstuhl-Basketball bei den Paralympics, schließlich Sportjournalist und Eishockey-Manager. Ehrfürchtig staunt man, wie sich ein immenser Verlust nach zähem Ringen in einen absoluten Gewinn für das Leben wandelte. --Ravi Unger weniger