Die Jubelfeiern im Land wollten kein Ende nehmen, nachdem der Vizepräsident 1972 die Iraq Petroleum Company, bislang in der Hand internationaler Ölmultis, handstreichartig verstaatlicht hatte. Statt kümmerlicher Prozente würden nun Öl-Summen in Millardenhöhe ins Land fließen. Ein Bild steht Ashti Marben noch heute vor Augen: Präsident Hassan al-Bakr und sein Stellvertreter, beide in wunderschönen schneeweißen Anzügen, Wesen aus einer anderen Welt. Saddam Husseins … mehrAufstieg zum Volkshelden hatte begonnen und ein achtjähriges Mädchen wünschte sich nichts sehnlicher, als den Wohltäter des Irak kennen zu lernen. Selten hat man die Gelegenheit, einer Frau zu begegnen, die Saddam aus nächster Nähe erlebte und durch ihre Mitarbeit in der örtlichen Baath-Partei Innenansichten aus den Hinterzimmern der Macht liefern kann. Ashti Sarben macht dabei aus ihrer anfänglichen Verehrung für den Diktator keinen Hehl. Wie viele ihrer Landsleute wurde die 1964 im nordirakischen Koi Sanjak als Tochter einer christlichen Familie Geborene vom Charisma Saddams in Bann geschlagen. Mit zwölf trat sie in die Baath-Partei ein (in ihrer kurdischen Heimat ein gefährliches Unterfangen) -- und begann, ihrem Idol Briefe zu schreiben. Schließlich wurde ihr eine denkwürdige Audienz gewährt. Der Weg war weit von der glückstrunkenen jungen Saddam-Verehrerin zur erbitterten Regimekritikerin. Ashtis zunehmende Politisierung innerhalb eines ohnehin schweren Lebens als christliche Familie auf Kurdengebiet, wurde durch Saddams Kriegszüge zusätzlich verstärkt. Der Iran, die Kurden, schließlich Kuwait -- der zweite Golfkrieg hatte begonnen. Am Ende war der Traum vom Vaterersatz im schneeweißen Anzug ausgeträumt. Ashti Marben begann, offen Kritik zu üben. Den irakischen Geheimdienst im Nacken, gelang ihr 1996 mit ihrem Bruder die Flucht nach Deutschland. Viele schicksalhafte Briefe hat Ashti Marben im Laufe ihres Lebens geschrieben. Einer der letzten, vielleicht wichtigsten, ging an Wolfgang Clement, damals Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, mit der Bitte um Integrationshilfe. Sie wurde ihr gewährt. April 2003: Die letzten Zeilen ihres Buches sind geschrieben und erneut ist ihr Land vom Krieg geschüttelt, ihr ehemaliges Idol auf der Flucht. Ashti Marben kann endlich zur Ruhe kommen. --Ravi Unger weniger