"Der erste Eindruck, den er hatte, war der von Urlaub." Mit diesem Satz nimmt eines der frühen Maigret-Abenteuer seinen Anfang, Maigret in der Liberty Bar von 1932. Dieses Mal verschlägt es unseren Pfeife schmauchenden Kommissar an die Côte d'Azur, wo er den Mord an einem ehemaligen Geheimdienstmann aufklären soll. William Brown ist eines Nachmittags mit einer Messerwunde im Rücken auf der Schwelle seines Hauses gestorben. Maigret erhält von höchster Stelle den Auftrag. … mehrden Täter zu finden, und zwar ausdrücklich "ohne Aufsehen". Der Polizist, der vor Ort mit dem Fall beschäftigt ist, fühlt sich eher überfordert und ist froh, Schützenhilfe aus der Hauptstadt zu erhalten. So hat er sich einen Pariser Ermittler allerdings nicht vorgestellt: wortkarg, bärbeißig und ausgesprochen unkooperativ. Maigret fällt es sichtlich schwer, angesichts der herrschenden Ferienstimmung richtig in Fahrt zu kommen. Und seine Laune bessert sich auch nicht, als ihn seine heißeste Spur in eine Hinterhofkaschemme in Cannes führt, die ärmlicher nicht sein könnte: die Liberty Bar. Die beiden Frauen, die er dort antrifft, waren mit dem Ermordeten vertraut, sind jedoch nicht bereit, ihn in ihre Geheimnisse einzuweihen. Maigret in der Liberty Bar ist ein sehr behäbiger, kleiner Roman. Auf jeder Seite spürt der Leser die Hitze Südfrankreichs und den Alkohol, den Maigret nach jedem Barbesuch ausschwitzt. Simenon wirft einen leidenschaftlichen Blick hinter die Kulissen der französischen Riviera, in die Straßen abseits der Jachthäfen und Spielkasinos. Und zum Schluss bezieht Maigret selten eindeutig Stellung, und zwar -- aber das würde jetzt zu viel verraten. --Hannes Riffel weniger