Georges Simenon, dreimal verheiratet und der Liebhaber zahlloser Frauen -- von dieser Leidenschaft für das schöne Geschlecht findet sich in den Romanen des Maigret-Schöpfers nur selten ein Abglanz. Maigret und das Dienstmädchen ist da eine Ausnahme, auch wenn das Interesse des Kommissars für die junge Félicie rein platonisch bleibt. Im Leben des Autors dürfte sich dergleichen anders abgespielt haben. Da sah er sich nicht genötigt, auf das Ansehen gutbürgerlicher … mehrEheleute Rücksicht zu nehmen. Die Ausgangssituation des Romans ist pikant genug: Maigret ermittelt in einem Mordfall in einem kleinen Dorf, in dem fast nur Ruheständler wohnen. Der alte Buchhalter Jules Lapie ist erschossen worden, von der Tatwaffe fehlt jede Spur. Immer wieder sieht sich Maigret veranlasst, in das Haus des Opfers zurückzukehren. Dort wohnt jetzt nur noch das junge Dienstmädchen, das von Lapie überraschenderweise als Erbin eingesetzt wurde. Erst verdächtigt der Kommissar die junge Frau, dann fühlt er sich immer mehr zu ihr hingezogen. Aber irgendwie ist Félicie doch in die Angelegenheit verwickelt. Félicie est là -- so lautet der Titel der französischen Originalausgabe von Maigret und das Dienstmädchen: "Félicie ist da!" Und das trifft den Nagel auch auf den Kopf, denn das Dienstmädchen, das sich ein besseres Leben erträumt, ist im Roman allgegenwärtig -- anfangs sehr zum Leidwesen von Maigret. Die Beschreibung der allmählichen Veränderung, die die Haltung des Kommissars ihr gegenüber durchmacht, gehört zu Simenons Glanzstücken. Missmutig muss Maigret feststellen, dass er seinem fortgeschrittenen Alter auch eine Menge Vorurteile verdankt, die ihn bei seinen Ermittlungen behindern. --Hannes Riffel weniger