Wie der Titel bereits andeutet, geht es in John Grishams neuestem Roman wieder einmal um das amerikanische Rechts- bzw. Unrechtssystem. Zum zentralen Thema hat der Baron des "Legal Thriller" diesmal Amerikas Obdachlose auserkoren, die in einer Welt, die von großen und mächtigen Anwaltskanzleien regiert wird, nur unzulänglich vertreten werden. Das Buch erzählt die Geschichte des Protagonisten Michael Brock, einem Anwalt, der kurz davor steht, bei Sweeny & Drake, einer … mehrder renommiertesten Anwaltskanzleien Washingtons, einzusteigen. Sein Traum vom Millionen-Dollar-Gehalt ist in greifbarer Nähe. Nichts kann ihn mehr aufhalten, weder die 90-Stunden-Woche noch seine gescheiterte Ehe -- bis er eines Tages auf DeVon Hardy alias "Mister" trifft, einen Vietnam-Veteranen, der auf seinen Vermieter wütend ist und zudem noch ein paar Anwälte in die Pfanne hauen will. Während eines Meetings nimmt Hardy ohne ersichtlichen Grund Brock und acht seiner Kollegen als Geisel, verlangt deren Steuererklärungen und verhört sie mit einer Überzeugung, die selbst spanische Inquisitoren vor Neid hätten erblassen lassen. Während Hardy, ein Mann weniger Worte aber viel Munition, mit einer Schnellfeuerwaffe größeren Kalibers nur wenige Zentimeter vor Brocks Gesicht herumfuchtelt, nuschelt er geheimnisvoll: "Wer sind die Verantwortlichen für die Räumung?". Der Ausgang der gewaltsamen Geiselnahme löst im jungen Anwalt einen heftigen Gewissenskampf aus, und Hardys mysteriöse Frage läßt ihn nicht mehr los. Brock erfährt, daß Hardy die meiste Zeit seines Lebens in Obdachlosenunterkünften verbracht hat, in letzter Zeit jedoch für eine eigene Bleibe in einem heruntergekommenen Gebäude aufgekommen ist. Dadurch hätte er Anspruch auf Rechtsbeistand, falls ein Millionen-Laden wie Sweeny & Drake ihn ohne Ankündigung aus seiner Wohnung vertreiben sollte. Als Brock sich bewußt wird, daß Anwälte wie er Betrügern Vorschub leisten, macht er sich auf eine Suche ohne Ziel durch Washingtons gefährliche Bezirke, bis er schließlich im Zentrum für Rechtsfragen in der 14. Straße landet. Der Direktor des Zentrums, ein Koloß namens Mordecai Green, lockt Brock mit einer neunzigtausend Dollar Gehaltskürzung und der Aussicht auf die Rettung seiner Seele. Brock willigt ein, und leider verliert die Geschichte dadurch einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit, denn schließlich fällt die Vorstellung nicht gerade leicht, daß ein Yale-Absolvent, der für seinen beruflichen Erfolg -- einschließlich seiner Ehe -- alles aufs Spiel gesetzt hat, ohne weiteres eine schlecht bezahlte gemeinnützige Arbeit annimmt. Nichtsdestoweniger ist der folgende Teil, in dem Brocks in den protzigen Chefetagen von Sweeny & Drake den korrupten Machenschaften der Verantwortlichen auf die Schliche kommt, voller bunter Charaktere und realistischer Beschreibungen. Auch in seinem neuestem Roman ist Grisham wieder das Sprachrohr für all diejenigen, die über keine Stimme und keine Rechte verfügen. So hat Mordecai Green denn auch Recht, wenn er sagt: "Das ist Gerechtigkeit, Michael. Nur darum geht es beim Gesetz der Straße, um die Würde." weniger