Wer mich liebt, nimmt den Zug, bestimmt der sogar im Sterben noch barsch befehlende Künstler (Jean-Louis Trintignant) seinen hinterbliebenen Familienmitgliedern, Geliebten, Freunden und Bekannten. Wobei Liebe für den größten Teil der Trauergemeinde nicht das Hauptmotiv ist, in den Zug nach Limoges zu steigen und an der Beerdigung des Künstlers teilzunehmen. Zur Gemeinde gehören ein Sohn, der sich zurückgesetzt und unverstanden fühlt, eine tablettensüchtige Frau, ein … mehrEx-Liebhaber, der von seinem aktuellen Partner betrogen wird, nervende Onkel und Tanten samt Nachwuchs. Sie alle haben nicht nur mit dem Verstorbenen, sondern auch untereinander Rechnungen zu begleichen, verdrängte (Hass-)Gefühle zu erwidern, aufzuarbeiten, abzubauen. Dazu haben sie während der Zugfahrt, bei der Beerdigung und beim anschließenden Leichenschmaus im Landhaus ausreichend Gelegenheit. Wie sich die Frauen und Männer des zusammengewürfelten Haufens in Schwarz gegenseitig belauern, trietzen und mit Tabuthemen wie Sex und Geschlechtsumwandlung auf die Palme bringen bis jemand ausrastet, das beschreibt der ehemalige Opern-Regisseur Patrice Chéreau (Die Bartholomäusnacht) mit Ernst und wilden, ironischen Ausbrüchen. Chéreau und Koautorin Danièle Thompson haben das Drehbuch übrigens nach einer wahren Begebenheit, der Beerdigung eines Dokumentarfilmkollegen, geschrieben. Dass das getragene, zuweilen bösartige Beerdigungszeremoniell nicht langweilig wird, dafür sorgt ein exzellentes Schauspielerensemble: Neben Charles Berling (Ridicule - Von der Lächerlichkeit des Scheins) und Pascal Greggory (wackerer Mitstreiter von Johanna von Orléans) sind es vor allem Valeria Bruni-Tedeschi und der gegen den Strich besetzte Vincent Pérez (Crow - Die Rache der Krähe; Der Husar auf dem Dach) als Transsexueller, die mit ihrer Darstellung überzeugen. Die schönen Bilder -- etwa die Kamerafahrt um den Friedhof -- lieferte Kameramann Eric Gautier, der wie Chéreau und Schauspielerin Dominique Blanc einen César, den französischen Oscar, für seine Leistung einheimste. --Heike Angermaier weniger