Mit einem interessanten Projekt im Sinne des Grenzgangs zwischen Alter Musik und interpretatorischen wie improvisatorischen Ansätzen unserer Tage präsentiert sich auf dieser CD der bekannte englische Tenor John Potter, Mitglied des Hilliard-Ensembles, zusammen mit einer Gruppe von Instrumentalisten aus unterschiedlichen Bereichen: Sie besteht aus dem Lautenisten Stephen Stubbs als prominentem Interpreten und Ensemble-Leiter der Alte-Musik-Szene, der Barockviolinistin … mehrMaya Homburger, dem Jazz- und Klassik-Kontrabassisten Barry Guy und dem Saxophonisten John Surman. Idee dieser Einspielungen ist es, die Lieder des als experimentierfreudig und zukunftsweisend erkannten frühbarocken Komponisten John Dowland gewissermaßen bis in die heutige Zeit und ihre musikalischen Mittel weiterzudenken. Effekte und Erweiterungen ganz unterschiedlicher Art sollen die Aussagekraft dieser Stücke und ihrer Texte steigern. Der Lautenist Stephen Stubbs vertritt dabei, den Continuopart konventionell ausführend, die alte Schicht der Kompositionen. Hinzu kommen Modifikationen verschiedener Art und Stärke. Allein die Baßklarinette, meisterhaft gespielt von John Surman, in einigen Stücken die Baßstimme vortragend, führt zu einer leichten Verfremdung des Gesamtklangs. Vergleichsweise konventionell ist auch die Interpolation der drei gesungen Strophen von "Come Again" mit einer instrumentalen Wiederholung, die eine weitgehend in barocker Manier improvisierte Oberstimme des Sopransaxophons enthält. Stärker verfremdend sind Effekte wie die seufzenden Flageolett-Töne in "In Darkness Let Me Well", zusammen mit ausdrucksvollen Trillerfiguren, die den Satz an den Rand der Auflösung bringen. Klopfgeräusche auf den Saiten ergeben in "Flow My Tears", interessante Trommeleffekte, die an herabfallende Tränen erinnern, und in dem rein instrumentalen "Lachrimae Verae" meint man, hier und da das Summen einer Frauenstimme hindurchzuhören. Ob die Musik Dowlands nun solcher Modifikationen bedarf oder nicht, ein bemerkenswertes Unterfangen ist diese CD allemal; allerdings ist fraglich, ob man sich nicht zu sehr im Einklang mit Dowland fühlt, wenn man wie John Potter behauptet: "Wir arbeiten mit Dowland, als ob er immer noch bei uns wäre" oder annimmt, daß Dowland "zweifellos genauso über Musik dachte wie wir". Und leider ist es auch Potter selbst, dessen interpretatorische Leistung am ehesten Zweifel aufkommen läßt: Ausdruck macht er im Wesentlichen mit permanentem "messa di voce" sowie Atem- und Kehlkopfgeräuschen, und seine Intonation ist hier und da getrübt. Dennoch verdient es diese CD, als engagiertes musikalisches Experiment mit teilweise sehr eindrucksvollen Ergebnissen zur Kenntnis genommen zu werden.--Michael Wersin weniger
CD 1
01 - Weep You No More, Sad Fountains
02 - In Darkness Let Me Dwell
03 - Lachrimae Verae
04 - From Silent Night… mehr
05 - Come Again
06 - The Lowest Trees Have Tops
07 - Flow My Tears
08 - Come Heavy Sleep
09 - Fine Knackers For Ladies
10 - Flow My Tears
11 - Now, O Now I Needs Must Part
12 - Lachrimae Tristes
13 - Go Crystal Tears
14 - Lachrimae Amantis weniger